Umweltministerium: Wir haben mit der Rettung der prioritären Lebensräume* im Bialowieza-Urwald begonnen
Polski Agencja Prasowa (PAP), 24.05.16
*gemeint sind die Biotoptypen, die nach der FFH-Richtlinie europaweit geschützt sind (PV)

Wir haben den Prozess zur Rettung der prioritären Lebensräume im Bialowieza-Urwald begonnen, die „Schutzaufgaben“ werden auf 2/3 der Fläche der Förstereien des Bialowieza-Urwalds durchgeführt – gab am Mittwoch der Umweltminister Jan Szyszko bekannt.
„Sofern man ein krankes Organ hat, muss man es entfernen, deshalb, um zu
überleben. Das ist sicherlich etwas komplizierter in Natursystemen, aber genau
so wird es gehandhabt in Bereich der Wälder, die den Schutzaufgaben
unterzogen werden“ – sagte Szyszko auf der Pressekonferenz. Wie er betonte, sei
das Hauptziel der „Schutzaufgaben“ (Pflegehiebe und Neupflanzungen – PAP) der
Schutz der für die EU prioritären Lebensräume in den Natura 2000 Gebieten.
[Die
Schutzaufgaben sind in dem Bewirtschaftungsplan für Natura 2000 Gebiete
festgeschrieben. Er entspricht dem Managementplan in Brandenburg]
Der Minister betonte, dass der Bialowieza-Urwald ein Naturunikat auf
Weltniveau darstellt. Er überzeugte, dass der Urwald „ ein Werk aus
menschlicher Hand, ein Werk der lokalen Bevölkerung, ein Werk der polnischen
Forstschule“ sei. Nach seiner Meinung, gelang es eben durch die entsprechende
Bewirtschaftung wertvolle Natur-Schätze zu erhalten und auch Natura 2000
Gebiete auszuweisen.
Der Chef des Umwelt-Ressort urteilt, dass durch falsche politische
Entscheidungen der vorherigen Regierung, die auf „Unterlassung von
wirtschaftlichen Tätigkeiten zur Unterstützung des Natursystems“ basierten
(Entscheidung zur Verringerung der Holzentnahmen im Urwald – PAP). Sie führte
zum massenhaften Absterben von Bäumen und folglich dadurch auch zur
Degradation von für die EU wertvollen Lebensraumtypen und Arten.
Szyszko versicherte, dass die durchgeführten Schutzmaßnahmen zur Bremsung
dieses Prozesses beitragen werden. Er betonte, dass das „den Grundsätzen von
Natura 2000 entspricht". Der Minister erklärt weiter, dass die Maßnahmen
ausschließlich auf 2/3 der Fläche der Förstereien Hajnówka, Browsk und
Białowieża durchgeführt werden. Sie werden jedoch weder den Nationalpark, noch
die so genannten Referenzflächen der Förstereien umfassen (1/3 der Fläche der
Urwald-Förstereien). Auf diesen Flächen muss – nach Ankündigung des Ressorts –
die Natur selbst sehen wie sie unter anderem mit dem Massenvorkommen des
Buchdruckers klarkommt.
Tomaszewski: Als erstes werden die Touristen-Routen gesichert
Der Generaldirektor der Staatsforsten Konrad Tomaszewski erklärte auf der
Konferenz, dass aus Rücksicht auf das nahende lange Wochenende sowie der
Feriensaison, als erstes die Touristen-Routen „gesichert“ werden. Es geht um
die Entfernung umsturzgefährdeter Bäume (die vorher durch den
Buchdrucker befallen wurden – PAP) aus dem Umgebung solcher Routen.
Tomaszewski urteilte auch, dass der Streit um den Bialowieza-Urwald,
zur Art und Weise seines Schutzes, ein „ideologischer Streit“ sei. Den
„Anhängern des Ökozentrismus“ nach - überzeugt er - sollte man nichts
in der Natur machen und sie sich selbst überlassen. Der Direktor
ist hingegen der Meinung, dass sie nicht den menschlichen Faktor berücksichtigen,
der z.B. durch die Erzeugung von Luftverschmutzung auf die natürliche Umwelt
Einfluss nimmt.
„Als Förster in über 40-jährigem Dienst meine ich, dass es keine Möglichkeit
zur Instandhaltung der biologischen Natürlichkeit einer Landschaft außer dem
(aktiven - PAP) Naturschutz gibt. Man kann nicht auf dem Standpunkt des
Ökozentrismus pochen, weil das – und das sehen wir nach der Inventarisierung
des Urwaldes – zur Denaturalisierung führt. Aber die Konzeption von Natura 2000
ist auf die Erhaltung der Ursprünglichkeit der Landschaft ausgerichtet“ – fügt
der Chef der Staatsforsten hinzu.
Der Vize-Umweltminister, der auch auf der Konferenz anwesend war,
versicherte, dass alle Informationen zum Thema des Urwaldes, zu den
durchgeführten Arbeiten, auf der Internetseite des Ministeriums publiziert
werden.
Der Minister Szyszko teilte auf Anfrage über den Dialog mit der
EU-Kommission und der UNESCO zum Thema des Managementplans mit, dass eine
Delegation der UNESCO unser Land Anfang Juni (4-8. Juni) besuchen wird. Er
fügte hinzu, dass er auch Gespräche mit der Kommission führen wird.
Die Kommission kündigt rechtliche Schritte in Zusammenhang mit der
Ausweitung der Abholzung im Bialowieza-Urwald an
Am Montag gab die Europäische Kommission bekannt, dass sie die Antworten von
polnischer Seite in Bezug auf die Entscheidung zur Ausweitung des
Holzeinschlages im Bialowieza-Urwald analysiert und die Einleitung von
rechtlichen Schritten gegen unser Land nicht ausschließt. Der Minister ist der
Meinung, dass wir sicher zu einer Übereinkunft mit der Kommission kommen
werden,
Während der Konferenz demonstrierte vor dem Gebäude des Umweltministeriums
eine kleine Gruppe von Greenpeace-Aktivisten, die sich gegen die Ausweitung der
Abholzung stellen. „Der Bialowieza-Urwald ist unser herrlichster Naturschatz.
Das versteht die ganze Welt, es wird Zeit, dass auch das Umweltministerium das
versteht. Abholzung ist gar keine Lösung, es ist Zerstörung“ – sagt Katarzyna
Jagiełło von Greenpeace Polska.
Greenpeace: Holzfällungen sind meistens der Vorwand für größere
Holzentnahmen
Sie unterstrich, dass die Organisation nicht gegen Baum-Fällungen ist, die
eine Gefahr für Touristen auf den Wanderwegen darstellen. Sie wies darauf hin,
dass in Übereinstimmung mit dem von Greenpeace erstellten Rapport, solche
Fällungen oft als Vorwand genutzt werden um größere Mengen Holz zu ernten.
Sie stimmte nicht der Argumentation des Chefs des Umweltministeriums
überein, dass die Maßnahmen im Urwald mit dem EU-Recht vereinbar seien.
Sie erinnerte daran, dass in dieser Angelegenheit sieben
Nichtregierungsorganisationen bei der Europäische Kommission Klage
eingereicht haben. Sie zeigen darin, dass die Entscheidung für die Fällungen
gegen die EU-Habitat-Richtlinie verstößt, nach der Unternehmungen die
wesentlichen Einfluss auf ein Natura 2000 Gebiet haben, die Durchführung
einer speziellen Bewertung verlangt.
„Das Ressort gibt immer neue und weitere Ursachen für die Ausweitung der
Abholungen an. Wir haben von dem Borkenkäfer gehört. Jetzt spricht man immer
weniger davon, und mehr über die Sicherheit auf den Touristenpfaden. Man muss
jedoch darauf hinweisen, dass der Großteil der Fällungen, die das
Umweltministerium plant, sich in Bereich der Hartholzaue befinden, die kein
gefährdeter Lebensraumtyp darstellt“ – fügt Jagiełło hinzu.
Ähnliches behauptet die Organisation ClientEarth.
„Erschreckend ist, dass der Minister nach wie vor das EU-Recht dazu benutzt, um die Fällungen zu rechtfertigen. Am Montag hat in Brüssel ein Vertreter der Kommission offiziell behauptet, dass die Kommission unsere Meinung teilt, dass der ausgeweitete Holzeinschlag nicht konform mit EU-Recht ist, wenn keine Verträglichkeitsuntersuchung für die geschützten Arten und Habitate durchgeführt worden ist. Die Verhandlung des Falls vor dem Europäischen Gerichtshof wird leider immer realer“ – beurteilt Agata Szafraniuk, Juristin von ClientEarth.
Ähnliches behauptet die Organisation ClientEarth.
„Erschreckend ist, dass der Minister nach wie vor das EU-Recht dazu benutzt, um die Fällungen zu rechtfertigen. Am Montag hat in Brüssel ein Vertreter der Kommission offiziell behauptet, dass die Kommission unsere Meinung teilt, dass der ausgeweitete Holzeinschlag nicht konform mit EU-Recht ist, wenn keine Verträglichkeitsuntersuchung für die geschützten Arten und Habitate durchgeführt worden ist. Die Verhandlung des Falls vor dem Europäischen Gerichtshof wird leider immer realer“ – beurteilt Agata Szafraniuk, Juristin von ClientEarth.
Der Streit um den Urwald nahm immer mehr Fahrt auf, seitdem Ende März der
Umweltminister den Annex zum Waldbewirtschaftungsplan für die Försterei
Bialowieza bestätigt hat. Dieser sieht größere Fällungen vor, begründet mit dem
Kampf gegen das Massenauftreten des Borkenkäfers an den Fichten. Der Annex
sieht die Vergrößerung der Holzentnahme auf 188.000 Festmeter (m³) innerhalb
von 10 Jahren (2012-2021) vor. Der alte Plan sah die Entnahme von über 63,400
Festmetern Holz innerhalb von 10 Jahren vor.
Diese Entscheidung rief einen Einspruch bei Teilen von wissenschaftlichen
und ökologischen Organisationen hervor, die überzeugt sind, dass eine
Vergrößerung des Holzeinschlages unnötig ist und die Borkenkäfer-Kalamität ein
natürlicher Prozess sei. Ökologen fordern auch, dass der gesamte Urwald den
Schutzstatus des Nationalparks erhält. (PAP)
Den Originalartikel auf polnisch kann man nachlesen unter:
Der Minister gibt die Ausführung des Urteils zum Bialowieza-Urwald bekannt
WWF, 25.05.16
Alles deutet darauf hin, dass der Minister die Umsetzung des Urteils
über den Urwald verkündet hat! Das Parole „Wir retten die
prioritären Lebensräume im Bialowieza-Urwald“, klingt im Munde des
Ministers sehr grauenvoll, denn wenn man seinen Ankündigungen glaubt, bedeutet
die Rettung ein intensiver Holzeinschlag – alarmiert die Umweltorganisation WWF
Polska.
Der Minister Jan Szyszko verkündet wesentliche Informationen über den
Urwald gewöhnlich sehr unklar – sagt Dariusz Gatkowski vom WWF Polska. – Auf diese
Weise lässt sich die öffentliche Meinung am leichtesten irreführen. So ist es
auch dieses Mal. Auf der Seite des Umweltministeriums lesen wir die folgende
Worte: „Wir retten die prioritären Lebensräume im Bialowieza-Urwald!“. In
der Sprache der Wissenschaftler und Umweltschützer hieße das im Falle eines
solch wertvollen Waldökosystems, die Unterlassung von Baumfällungen. In der
Deklaration des Ministeriums geht es um das nackte Gegenteil. Der Minister ist
in entschiedener Opposition zu dem Wissenschaftswerk von Generationen von
Polen, die die Arten und ablaufenden Prozessen im Bialowieza-Urwald erforschen.
Folglich klingt es in der Sprache des Ministers wie ein Urteil über den Urwald.
In den Informationen auf der Internetseite lesen wir auch, dass: „die
Maßnahmen zur Rettung der wertvollen prioritären Lebensräume unverzichtbar
für die Europäische Gemeinschaft ist. Die Maßnahmen sind angelehnt an die
Grundsätze des ‚Managementplans für das Natura 2000 Gebiet Bialowieza-Urwald‘“.
Im Managementplan für das Natura 2000 Gebiet lesen wir, dass die Gefahren für
Teile der Schutzobjekte dieses Gebietes die Maßnahmen sind, die der
Umweltminister gerade plant.
Schutzobjekt
|
Ausgewählte Gefährdungen (existierende oder potenzielle) |
9170 subkontinentaler Hartholzauwald | Entfernung von toten und sterbenden Bäumen Waldwirtschaft und Forstwirtschaft, Nutzung des Waldes und des Forstes |
A217 Sperlingskauz | Waldfällungen Entfernung toter und sterbender Bäume |
A223 Rauhfußkauz | Entfernung toter und sterbender Bäume |
A239 Weißrückenspecht | Entfernung toter und sterbender Bäume |
A241 Dreizehenspecht | Entfernung toter und sterbender Bäume |
2647 Wisent | Unkontrolliertes Aufscheuchen |
1086 Spanische Flagge | Entfernung toter und sterbender Bäume |
1920 Käfer | Waldfällungen Entfernung toter und sterbender Bäume |
1925 Käfer | Entfernung toter und sterbender Bäume |
Genau die Lebensräume und Arten, die das Schutzobjekt des Natura 2000 Gebietes „Bialowieza-Urwald“ darstellen sind durch Fällung und Entfernung von toten und sterbenden Bäumen gefährdet. Wenn der Minister sie wirklich in einem guten Zustand behalten möchte, sollte er nicht die Holzentnahmen vergrößern.
Wird der Minister Szyszko die Schutzgüter des Natura 2000 Gebietes
„Bialowieza-Urwald“ gemäß dem Managementplan schützen? Hat er den größten
Wissenschaftsautoritäten zugehört, die den Fällungen widersprechen? Wird er
sich an das EU-Recht und die Übereinkunft mit der UNESCO halten? Die
Informationen auf der Ministeriumsseite zeigen, dass die Antwort auf all die
Fragen „nein“ lautet.
WWF Polska nimmt die Position ein, dass der gesamte Bialowieza-Urwald als Nationalpark
geschützt werden sollte.
Den Originalartikel auf polnisch kann man nachlesen unter: