Freitag, 27. Mai 2016


Umweltministerium: Wir haben mit der Rettung der prioritären Lebensräume* im Bialowieza-Urwald begonnen


Polski Agencja Prasowa (PAP), 24.05.16
*gemeint sind die Biotoptypen, die nach der FFH-Richtlinie europaweit geschützt sind (PV)





Wir haben den Prozess zur Rettung der prioritären Lebensräume im Bialowieza-Urwald begonnen, die „Schutzaufgaben“ werden auf 2/3 der Fläche der Förstereien des Bialowieza-Urwalds durchgeführt – gab am Mittwoch der Umweltminister Jan Szyszko bekannt.

„Sofern man ein krankes Organ hat, muss man es entfernen, deshalb, um zu überleben. Das ist sicherlich etwas komplizierter in Natursystemen, aber genau so wird es gehandhabt in Bereich der Wälder, die den Schutzaufgaben unterzogen werden“ – sagte Szyszko auf der Pressekonferenz. Wie er betonte, sei das Hauptziel der „Schutzaufgaben“ (Pflegehiebe und Neupflanzungen – PAP) der Schutz der für die EU prioritären Lebensräume in den Natura 2000 Gebieten.
[Die Schutzaufgaben sind in dem Bewirtschaftungsplan für Natura 2000 Gebiete festgeschrieben. Er entspricht dem Managementplan in Brandenburg]

Der Minister betonte, dass der Bialowieza-Urwald ein Naturunikat auf Weltniveau darstellt. Er überzeugte, dass der Urwald „ ein Werk aus menschlicher Hand, ein Werk der lokalen Bevölkerung, ein Werk der polnischen Forstschule“ sei. Nach seiner Meinung, gelang es eben durch die entsprechende Bewirtschaftung wertvolle Natur-Schätze zu erhalten und auch Natura 2000 Gebiete auszuweisen.

Der Chef des Umwelt-Ressort urteilt, dass durch falsche politische Entscheidungen der vorherigen Regierung, die auf „Unterlassung von wirtschaftlichen Tätigkeiten zur Unterstützung des Natursystems“ basierten (Entscheidung zur Verringerung der Holzentnahmen im Urwald – PAP). Sie führte zum massenhaften Absterben von Bäumen und folglich dadurch auch zur Degradation von für die EU wertvollen Lebensraumtypen und Arten.

Szyszko versicherte, dass die durchgeführten Schutzmaßnahmen zur Bremsung dieses Prozesses beitragen werden. Er betonte, dass das „den Grundsätzen von Natura 2000 entspricht". Der Minister erklärt weiter, dass die Maßnahmen ausschließlich auf 2/3 der Fläche der Förstereien Hajnówka, Browsk und Białowieża durchgeführt werden. Sie werden jedoch weder den Nationalpark, noch die so genannten Referenzflächen der Förstereien umfassen (1/3 der Fläche der Urwald-Förstereien). Auf diesen Flächen muss – nach Ankündigung des Ressorts – die Natur selbst sehen wie sie unter anderem mit dem Massenvorkommen des Buchdruckers klarkommt.

Tomaszewski: Als erstes werden die Touristen-Routen gesichert

Der Generaldirektor der Staatsforsten Konrad Tomaszewski erklärte auf der Konferenz, dass aus Rücksicht auf das nahende lange Wochenende sowie der Feriensaison, als erstes die Touristen-Routen „gesichert“ werden. Es geht um die Entfernung umsturzgefährdeter Bäume (die vorher durch den Buchdrucker befallen wurden – PAP) aus dem Umgebung solcher Routen.

Tomaszewski urteilte auch, dass der Streit um den Bialowieza-Urwald, zur Art und Weise seines Schutzes, ein „ideologischer Streit“ sei. Den „Anhängern des Ökozentrismus“ nach - überzeugt er - sollte man nichts in der Natur machen und sie sich selbst überlassen. Der Direktor ist hingegen der Meinung, dass sie nicht den menschlichen Faktor berücksichtigen, der z.B. durch die Erzeugung von Luftverschmutzung auf die natürliche Umwelt Einfluss nimmt.

„Als Förster in über 40-jährigem Dienst meine ich, dass es keine Möglichkeit zur Instandhaltung der biologischen Natürlichkeit einer Landschaft außer dem (aktiven - PAP) Naturschutz gibt. Man kann nicht auf dem Standpunkt des Ökozentrismus pochen, weil das – und das sehen wir nach der Inventarisierung des Urwaldes – zur Denaturalisierung führt. Aber die Konzeption von Natura 2000 ist auf die Erhaltung der Ursprünglichkeit der Landschaft ausgerichtet“ – fügt der Chef der Staatsforsten hinzu.

Der Vize-Umweltminister, der auch auf der Konferenz anwesend war, versicherte, dass alle Informationen zum Thema des Urwaldes, zu den durchgeführten Arbeiten, auf der Internetseite des Ministeriums publiziert werden.

Der Minister Szyszko teilte auf Anfrage über den Dialog mit der EU-Kommission und der UNESCO zum Thema des Managementplans mit, dass eine Delegation der UNESCO unser Land Anfang Juni (4-8. Juni) besuchen wird. Er fügte hinzu, dass er auch Gespräche mit der Kommission führen wird.

Die Kommission kündigt rechtliche Schritte in Zusammenhang mit der Ausweitung der Abholzung im Bialowieza-Urwald an

Am Montag gab die Europäische Kommission bekannt, dass sie die Antworten von polnischer Seite in Bezug auf die Entscheidung zur Ausweitung des Holzeinschlages im Bialowieza-Urwald analysiert und die Einleitung von rechtlichen Schritten gegen unser Land nicht ausschließt. Der Minister ist der Meinung, dass wir sicher zu einer Übereinkunft mit der Kommission kommen werden,

Während der Konferenz demonstrierte vor dem Gebäude des Umweltministeriums eine kleine Gruppe von Greenpeace-Aktivisten, die sich gegen die Ausweitung der Abholzung stellen. „Der Bialowieza-Urwald ist unser herrlichster Naturschatz. Das versteht die ganze Welt, es wird Zeit, dass auch das Umweltministerium das versteht. Abholzung ist gar keine Lösung, es ist Zerstörung“ – sagt Katarzyna Jagiełło von Greenpeace Polska.

Greenpeace: Holzfällungen sind meistens der Vorwand für größere Holzentnahmen

Sie unterstrich, dass die Organisation nicht gegen Baum-Fällungen ist, die eine Gefahr für Touristen auf den Wanderwegen darstellen. Sie wies darauf hin, dass in Übereinstimmung mit dem von Greenpeace erstellten Rapport, solche Fällungen oft als Vorwand genutzt werden um größere Mengen Holz zu ernten.
Sie stimmte nicht der Argumentation des Chefs des Umweltministeriums überein, dass die Maßnahmen im Urwald mit dem EU-Recht vereinbar seien. Sie erinnerte daran, dass in dieser Angelegenheit sieben Nichtregierungsorganisationen bei der Europäische Kommission Klage eingereicht haben. Sie zeigen darin, dass die Entscheidung für die Fällungen gegen die EU-Habitat-Richtlinie verstößt, nach der Unternehmungen die wesentlichen Einfluss auf ein Natura 2000 Gebiet haben, die Durchführung einer speziellen Bewertung verlangt.

„Das Ressort gibt immer neue und weitere Ursachen für die Ausweitung der Abholungen an. Wir haben von dem Borkenkäfer gehört. Jetzt spricht man immer weniger davon, und mehr über die Sicherheit auf den Touristenpfaden. Man muss jedoch darauf hinweisen, dass der Großteil der Fällungen, die das Umweltministerium plant, sich in Bereich der Hartholzaue befinden, die kein gefährdeter Lebensraumtyp darstellt“ – fügt Jagiełło hinzu.

Ähnliches behauptet die Organisation ClientEarth.

„Erschreckend ist, dass der Minister nach wie vor das EU-Recht dazu benutzt, um die Fällungen zu rechtfertigen. Am Montag hat in Brüssel ein Vertreter der Kommission offiziell behauptet, dass die Kommission unsere Meinung teilt, dass der ausgeweitete Holzeinschlag nicht konform mit EU-Recht ist, wenn keine Verträglichkeitsuntersuchung für die geschützten Arten und Habitate durchgeführt worden ist. Die Verhandlung des Falls vor dem Europäischen Gerichtshof wird leider immer realer“ – beurteilt Agata Szafraniuk, Juristin von ClientEarth.

Der Streit um den Urwald nahm immer mehr Fahrt auf, seitdem Ende März der Umweltminister den Annex zum Waldbewirtschaftungsplan für die Försterei Bialowieza bestätigt hat. Dieser sieht größere Fällungen vor, begründet mit dem Kampf gegen das Massenauftreten des Borkenkäfers an den Fichten. Der Annex sieht die Vergrößerung der Holzentnahme auf 188.000 Festmeter (m³) innerhalb von 10 Jahren (2012-2021) vor. Der alte Plan sah die Entnahme von über 63,400 Festmetern Holz innerhalb von 10 Jahren vor.

Diese Entscheidung rief einen Einspruch bei Teilen von wissenschaftlichen und ökologischen Organisationen hervor, die überzeugt sind, dass eine Vergrößerung des Holzeinschlages unnötig ist und die Borkenkäfer-Kalamität ein natürlicher Prozess sei. Ökologen fordern auch, dass der gesamte Urwald den Schutzstatus des Nationalparks erhält. (PAP)

Den Originalartikel auf polnisch kann man nachlesen unter:


Der Minister gibt die Ausführung des Urteils zum Bialowieza-Urwald bekannt

WWF, 25.05.16

Alles deutet darauf hin, dass der Minister die Umsetzung des Urteils über den Urwald verkündet hat! Das Parole „Wir retten die prioritären Lebensräume im Bialowieza-Urwald“, klingt im Munde des Ministers sehr grauenvoll, denn wenn man seinen Ankündigungen glaubt, bedeutet die Rettung ein intensiver Holzeinschlag – alarmiert die Umweltorganisation WWF Polska.

Der Minister Jan Szyszko verkündet wesentliche Informationen über den Urwald gewöhnlich sehr unklar – sagt Dariusz Gatkowski vom WWF Polska. – Auf diese Weise lässt sich die öffentliche Meinung am leichtesten irreführen. So ist es auch dieses Mal. Auf der Seite des Umweltministeriums lesen wir die folgende Worte: „Wir retten die prioritären Lebensräume im Bialowieza-Urwald!“. In der Sprache der Wissenschaftler und Umweltschützer hieße das im Falle eines solch wertvollen Waldökosystems, die Unterlassung von Baumfällungen. In der Deklaration des Ministeriums geht es um das nackte Gegenteil. Der Minister ist in entschiedener Opposition zu dem Wissenschaftswerk von Generationen von Polen, die die Arten und ablaufenden Prozessen im Bialowieza-Urwald erforschen. Folglich klingt es in der Sprache des Ministers wie ein Urteil über den Urwald.

In den Informationen auf der Internetseite lesen wir auch, dass: „die Maßnahmen zur Rettung der wertvollen prioritären Lebensräume unverzichtbar für die Europäische Gemeinschaft ist. Die Maßnahmen sind angelehnt an die Grundsätze des ‚Managementplans für das Natura 2000 Gebiet Bialowieza-Urwald‘“. Im Managementplan für das Natura 2000 Gebiet lesen wir, dass die Gefahren für Teile der Schutzobjekte dieses Gebietes die Maßnahmen sind, die der Umweltminister gerade plant.



Schutzobjekt
Ausgewählte Gefährdungen (existierende oder potenzielle)
9170 subkontinentaler Hartholzauwald Entfernung von toten und sterbenden Bäumen
Waldwirtschaft und Forstwirtschaft, Nutzung des Waldes und des Forstes
A217 Sperlingskauz Waldfällungen
Entfernung toter und sterbender Bäume
A223 Rauhfußkauz Entfernung toter und sterbender Bäume
A239 Weißrückenspecht Entfernung toter und sterbender Bäume
A241 Dreizehenspecht Entfernung toter und sterbender Bäume
2647 Wisent Unkontrolliertes Aufscheuchen
1086 Spanische Flagge Entfernung toter und sterbender Bäume
1920 Käfer Waldfällungen
Entfernung toter und sterbender Bäume
1925 Käfer Entfernung toter und sterbender Bäume


Genau die Lebensräume und Arten, die das Schutzobjekt des Natura 2000 Gebietes „Bialowieza-Urwald“ darstellen sind durch Fällung und Entfernung von toten und sterbenden Bäumen gefährdet. Wenn der Minister sie wirklich in einem guten Zustand behalten möchte, sollte er nicht die Holzentnahmen vergrößern.

Wird der Minister Szyszko die Schutzgüter des Natura 2000 Gebietes „Bialowieza-Urwald“ gemäß dem Managementplan schützen? Hat er den größten Wissenschaftsautoritäten zugehört, die den Fällungen widersprechen? Wird er sich an das EU-Recht und die Übereinkunft mit der UNESCO halten? Die Informationen auf der Ministeriumsseite zeigen, dass die Antwort auf all die Fragen „nein“ lautet.

WWF Polska nimmt die Position ein, dass der gesamte Bialowieza-Urwald als Nationalpark geschützt werden sollte.

Den Originalartikel auf polnisch kann man nachlesen unter:

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